Geld ist ein Mysterium, das zu entschlüsseln, besser noch für sich zu nutzen, Menschen immer aufs Neue inspiriert. Ich weiß nicht, wie viele Bücher sich diesem Thema widmen, wahrscheinlich würden sie ganze Bibliotheken füllen. Warum übt Geld eine derartige Faszination aus? Mit Geld kann man sich materielle Wünsche erfüllen oder man kann andere Menschen dazu bringen, seinen Begehren dienstbar zu sein. Auf die Frage, was Geld ist, würden viele Beispiele genannt werden können. Geld sind Geldscheine und Münzen, zum Beispiel, aber auch Guthaben auf Bankkonten. Guthaben bei Versicherungen oder Forderungen an Privatpersonen könnte man ebenfalls dazuzählen, wobei diese nur eingeschränkt mobilisierbar sind. Sind Kredite auch Geld? Irgendwie ja, denn mit aus Krediten stammenden Geld, kann man Waren und Dienstleistungen erwerben. In den letzten Jahren kamen elektronisch generierte Zeichen hinzu, die ihren Wert einer Ware gleich aus Angebot und Nachfrage beziehen. Ihr Gebrauchswert resultiert aus der Eigenschaft , nicht staatlich reglementiert zu sein. Doch, was haben alle diese Beispiele oder Formen von Geld gemeinsam, außer, dass man mit ihnen Waren und Dienstleistungen erwerben kann? Für diese Frage müssen wir das Wesen des Geldes näher betrachten, was nicht ohne einen Blick in dessen Geschichte geht.
Zur Geschichte des Geldes existieren umfängliche Ausarbeitungen. Neben vielen anderen, sei auf Karl Marx verwiesen, der sich im „Kapital“ intensiv mit dieser Frage auseinandersetzte. Seine Analyse reichte bis an das Ende seiner Schaffenszeit heran, das heißt, sie schloss mit dem vorindustriellen Kapitalismus ab. In der Folgezeit vollzogen sich jedoch grundlegende Veränderungen, die wir uns deshalb näher anschauen wollen. Auslöser der Entwicklungen war die industrielle Revolution, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den fortgeschrittenen Ländern Fahrt aufnahm. In wachsendem Maße wurden Maschinen im Produktionsprozess eingesetzt. Die Industrie, die sich in den Städten konzentrierte, zog viele Menschen an, die sich dort als Arbeitskräfte verdingten, um auf diese Weise ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Zum Ende des Jahrhunderts erreichten die Veränderungen einen Punkt, an dem die industrielle Produktion zur dominierenden Kraft der Volkswirtschaften dieser Länder wurde. Die Landwirtschaft, die bisher die Volkswirtschaft getragen hatte, verlor demgegenüber an Bedeutung. Die Landbevölkerung wurde erstmals in der Geschichte zur gesellschaftlichen Minderheit. In diesem Prozess veränderten sich die Beziehungen der Produzenten, Händler und Konsumenten zueinander grundlegend.
Der Austausch von Waren und Dienstleistungen war in der vorangegangenen Epoche vorwiegend Produkt gegen Produkt beziehungsweise unter Zuhilfenahme einer Geldware abgewickelt worden. Als Geldwaren hatten sich im Laufe der Zeit vor allem Edelmetalle, wie Gold und Silber, etabliert, denn sie konzentrieren einen hohen Wert in einem geringen Volumen. Sie sind darüber hinaus beliebig teilbar und als Material sehr beständig. Ihr Nachteil ist, dass sie nur begrenzt zur Verfügung stehen und ihr sicherer Transport einen relativ hohen Aufwand verursacht. Dieses Problem war allerdings nicht neu, es begleitete den Handel von jeher. Im Laufe der Zeit hatten sich daher verschiedene Wege zur einfacheren Abwicklung von Geschäften herausgebildet. Man konnte zum Beispiel Forderungen und Verbindlichkeiten von Klienten buchseitig verrechnen, ohne dass Geldware bewegt werden musste. Es war auch möglich, einen Schuldtitel gegen das eigene Vermögen oder gegen Guthaben bei Dritten auszustellen und diesen zur Bezahlung von Waren und Dienstleistungen einzusetzen. Voraussetzung für derartige Transaktionen war, dass sowohl der verrechnenden Stelle als auch dem Schuldner Vertrauen entgegengebracht wurde, denn man verzichtete für den Moment auf die Begleichung einer Forderung, um sie zu einem späteren Zeitpunkt, vielleicht an einem anderen Ort, geltend zu machen. Solches Vertrauen genossen vor allem Banken, die die Abwicklung der Geldgeschäfte zu ihrem Metier gemacht hatten.
Schuldscheine, die auch als Zahlungsmittel eingesetzt werden konnten, waren anfangs individuell, auf einen konkreten Schuldner bezogen. Mit dem Wachstum des Handels erwiesen sich individuelle Schuldscheine als unzulänglich, denn sie konnten nur begrenzt eingesetzt werden. Banken und deren Reputation waren einem größeren Kreis von Händlern bekannt, weshalb die von ihnen herausgegeben Noten universeller als Zahlungsmittel verwendet werden konnten. Mit diesen Noten verpflichtete sich die Bank, gegen deren Vorlage Geldware im ausgewiesenen Wert auszuhändigen. Mit dem Aufkommen der industriellen Massenproduktion und dem damit verbundenen rasanten Wachstum des Zahlungsverkehrs war verbunden, dass eine einzelne Bank mit ihren begrenzten Reserven an Geldware nicht mehr in der Lage war, die Anforderungen an die Stabilität des Zahlungsverkehrs zu gewährleisten. Man ging dazu über, vom Staat autorisierte Scheine in Umlauf zu bringen. Diese Papiere galten ebenfalls als Stellvertreter der Geldware, denn der Staat beziehungsweise eine Zentralbank garantierten, dass man bei Vorlage ihren Gegenwert in Gold erhielt.
Das Versprechen, Geldscheine jederzeit in Gold eintauschen zu können, war in Zeiten der sich ausweitenden Massenproduktion und des massenhaften Austausches von Gütern bald mit der Gefahr verbunden, dass mehr Papiergeld in Umlauf gebracht wurde, als Goldreserven in den Tresoren lagen. Sollten die Verkäufer durch irgendwelche Ereignisse verunsichert werden, das heißt, ihr Vertrauen in die Stabilität der Märkte verlieren, würden sie ihre Forderungen fällig stellen und das versprochene Gold einfordern. In einem solchen Fall würden die Banken oder staatlichen Institutionen, die diese Schuldscheine herausgegeben hatten, womöglich nicht in der Lage sein, ihr Versprechen einzulösen. Eine solche Situation konnte zum Kollaps der Märkte und letztlich ganzer Volkswirtschaften, mit unübersehbaren politischen Folgen, führen. Um dieser Gefahr vorzubeugen, schränkte man die Eintauschbarkeit der Geldscheine gegen Gold schrittweise ein; bis man sie schließlich völlig aufgab.
Die Geldscheine waren nun nicht mehr Repräsentant einer Geldware, sondern nur noch bedrucktes Papier. Das mit ihnen verbundene Versprechen beschränkte sich auf die vom Staat autorisierte Verpflichtung aller, das Papiergeld für die Bezahlung von Verbindlichkeiten, zu akzeptieren. Jeder, der das Papiergeld als Zahlungsmittel annahm, wurde zum Kreditgeber, denn er erhielt für seine Produkte im Gegenzug keine Ware, sondern lediglich das Versprechen, seine aus dem Verkauf resultierenden Forderungen zu einem späteren Zeitpunkt an einem beliebigen Ort realisieren zu können. So gesehen, repräsentiert Papiergeld einerseits Forderungen von Verkäufern und andererseits Verbindlichkeiten von Käufern. Beide müssten sich unter „normalen“ Umständen ausgleichen, da Forderungen und Verbindlichkeiten zwei Seiten der selben Medaille sind. Eine Forderung kann nur dadurch entstehen, dass beim Gegenpart eine Verbindlichkeit aufscheint. Doch, was ist in der Wirtschaft schon normal? Immer wieder treten Faktoren auf, die diese „natürliche“ Harmonie stören.
Forderungen und Verbindlichkeiten sind an Produkte und Dienstleistungen gebunden, welche sich auf dem Markt realisieren müssen. Können sie dies nicht, weil keine entsprechende Nachfrage vorhanden ist, dann können die in ihnen latent vorhandenen Fordeungen nicht generiert werden. Schlimmer noch, die mit ihnen verbundenen Verbindlichkeiten gegenüber Zulieferern und eigenen Arbeitskräften können ohne die erwarteten Einkünfte nicht bedient werden, es sei denn, der Schuldner kann die Verbindlichkeiten anderweitig ausgleichen. Kann er dies nicht, droht Zahlungsunfähigkeit. Forderungen der Lieferanten, Dienstleister und Arbeitskräfte gehen ins Leere, sie gehen zunichte. Dies kann nun letztere ihrerseits in Schwierigkeiten bringen. Mit der Vernichtung von Forderungen wird gleichzeitig die Nachfrage eingeschränkt, was wiederum die wirtschaftliche Dynamik bremst.
Betrachten wir den umgekehrten Fall. Unser Unternehmen kann seine Ware vollumfänglich absetzen. Es realisert höhere Einnahmen als es Ausgaben für die Produktion einsetzte. Mit anderen Worten, es realisiert mehr Forderungen gegen Dritte als es Verbindlichkeiten für die Produktion eingehen musste. Der Überschuss bleibt als Gewinn im Unternehmen oder er wird zu Unternehmer-Lohn. Vielleicht lässt der Unternehmer auch seine Arbeitskräfte am Erfolg teilhaben. Sollten alle Nutznießer des Gewinns die erwirtschafteten Forderungen vollumfänglich zum Erwerb von Waren und Dienstleistungen einsetzen, entsteht zusätzliche Nachfrage, die womöglich andere Marktteilnehmer anregt, ihr Angebot auszuweiten. Die Wirtschaft wächst. Dies gilt allerdings nur, wenn die wachsene Nachfrage tatsächlich auf ein wachsenes Angebot an Waren und Dienstleistungen trifft. Ist Letzteres nicht möglich, zum Beispiel wegen gestörter Lieferketten oder schwerwiegender politischer Krisen, dann wird sich die Angleichung von Forderungen und Verbindlichkeiten über steigende Preise, das heißt durch Inflation, vollziehen.
Die geschilderten Zusammenhänge sind natürlich stark vereinfacht. Im „Leben“ einer Volkswirtschaft treten eine Vielzahl von Wirkungen und Gegenwirkungen auf, die diese Zusammenhänge konterkarieren können. Die Vereinfachung oder Abstraktion kann jedoch den Blick für wesentliche Zusammenhänge schärfen. Das Streben nach Vereinfachung soll uns aber nicht davon abhalten, noch einem weiteren wichtigen Faktor nachzuspüren – dem Auseinanderfallen von Forderungen und Verbindlichkeiten in Ort und Zeit.
Der Faktor Ort sollte heutzutage eigentlich eine untergeordnete Rolle spielen, da fortgeschrittene Logistsysteme räumliche Diskrepanzen von Angebot und Nachfrage schnell überbrücken können. Einschränkend muss man hinzufügen, dass dies wiederum nur unter „normalen“ Umständen gilt. Katastrophen, natürliche oder von Menschen verursachte, aber auch politische und wirtschaftliche Auseinandersetzungen, wie Bürgerkriege oder flächendeckende Streiks, können zu erheblichen Störungen führen und damit Druck auf die Preise verursachen. Nicht minder problematisch sind Störungen internationaler Lieferketten, die häufig politisch motiviert sind. Sie können zu gravierenden Engpässen im Angebot führen und damit der Inflation nachhaltigen Auftrieb verleihen.
Der Faktor Zeit scheint auf den ersten Blick erst recht vernachlässigbar zu sein, da das moderne Bankensystem den Ausgleich von Forderungen und Verbindlichkeiten in Echtzeit ermöglicht. Wie so oft, sind auftretende Probleme nicht derTechnik geschuldet, sondern mit den Individuen verknüpft, die an den Tranaktionen teilnehmen. Man kann halt weder die Menschen noch die Unternehmen dazu zwingen, die erwirtschafteten Forderungen, die in Form von Geld ihr eigen sind, sofort und vollumfänglich auf dem Markt zu realisieren. Sie könnten diese zum Beispiel für spätere Investitionen oder Anschaffungen, vielleicht auch als Vorsorge für schlechte Zeiten, aufsparen wollen. Die aufgesparten Forderungen werden dem Markt entzogen. Dadurch wird einerseits der inflationäre Druck, der aus der Produktivitätssteigerung und dem damit verbundenen Wachstum des Gewinns resultiert, gemildert, andererseits wird allerdings auch das Wirtschaftswachstum gebremst.
Genau besehen, ist auch dieses Problem nicht neu, es entstand bereits mit dem Aufkommen der Warenwirtschaft. Wieder waren es Banken, die mit ihrer Tätigkeit für einen teilweisen Ausgleich sorgten, in dem sie Kredite vergaben. Basis der Kredite waren die Einlagen der Kunden und das Eigenkapital der Bank. Mit den Krediten wurden die brachliegenden Forderungen in Form von Depositen respektive Eigenkapital zumindest teilweise zurück in den Markt gegeben. Sie erhöhen die Nachfrage und, sofern sie in Investitionen fließen, auch das zukünftige Angebot. Im Idealfall entsteht ein ausgeglichener Markt, der trotzdem Anreize für Produktivitätswachstum hervorbringt. Banken sind jedoch gewinnoriente Unternehmen, die mitunter den Blick für vertretbare Risiken verlieren und in der Folge ins Straucheln geraten. In einem solchen Fall können sie von einem stabilisierenden Faktor der Volkswirtschaft zu einem Faktor mit erheblichen Störpotenzial mutieren. Eine Bankenkrise kann ganze Volkswirtschaften in den Abgrund ziehen. Es war daher geboten, dem Gewinnstreben der Banken, mithin ihrer Risikobereitschaft, Schranken zu setzen, ihr Tun zu regulieren.
Bald tat sich ein weiteres Problem auf. Die Industriealisierung hatte den fortgeschrittenen Ländern einen großen wirtschaftlichen Vorsprung gegenüber dem Rest der Welt beschert. Die daraus erwachsende Macht nutzten sie zu ihrem Vorteil. Sie degradierten andere Länder zu schlecht bezahlten Lieferanten von Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Arbeitskräften. Dieses Ungleichgewicht vergrößerte den Vorteil der entwickelten Länder, was bei ihnen zur Anhäufung von Reichtum führte. Einige Unternehmen waren in der Lage, gewaltige Kapitalien zu akkumulieren. Darüber hinaus wurde es möglich, die Lage der Arbeiterschaft schrittweise zu verbessern und deren Bildungsniveau zu heben, denn die moderne Industrie verlangte nach gut ausgebildeten Fachkräften. Der wachsende Wohlstand drückte sich unter anderem in wachsenden Guthaben bei Geldinstituten aus, zuförderst der Unternehmer, später auch bei Dienstleistern, staatlichen Entscheidungsträgern und qualifizierten Arbeitern und Angestellten.
Die durch die Guthaben bei Geldinstituten brachliegenden Forderungen mussten zurück in den Wirtschaftskreislauf, um die Nachfrage zu stärken und Wirtschaftswachstum zu ermöglichen. Mit anderen Worten, die Ausweitung der Kreditvergabe wurde zur Voraussetzung für die Verstetigung der wirtschaftlichen Entwicklung. Dem stand entgegen, dass es nicht genügend Investitionsvorhaben solventer Schuldner gab, um ein derart wachsendes Kreditvolumen zu rechtfertigen. Nicht zu vergessen, dass den Banken Zügel angelegt worden waren, damit sie in ihrem Drang nach Profit die Risiken der Kreditvergabe nicht aus den Augen verlieren. Es entstand ein klassischer Zielkonflikt, den man auch als Gegensatz beschreiben kann. Auf der einen Seite stand das Erfordernis, das Kreditvolumen auszuweiten, damit es mit den wachsenden Guthaben bei Geldinstituten Schritt halten konnte, auf der anderen Seite waren die mit der Ausweitung der Kreditvergabe einhergehenden Risiken zu begrenzen. Zur Lösung dieses Widerspruchs wurde ein Schuldner benötigt, den man als unbegrenzt solvent betrachten konnte.
Der Staat mit seinem Privileg, die Bürger mittels Steuern zur Kasse bitten zu können, besaß das dafür erforderliche Potenzial. Gleichzeitig wuchsen dem Staat mit seinen Institutionen immer neue Aufgaben zu, sei es für die Schaffung einer modernen Infrastruktur, für die Aufrechterhaltung von Gesetz und Ordnung oder für den Vorlauf in Bildung und Wissenschaft. Hinzu kamen Aufgaben zur Sicherung äußerer Märkte, notfalls mit militärischen Mitteln. Reichten die Einnahmen des Staates für all diese Aufgaben nicht aus, hatte er die Möglichkeit weitere Steuern zu erheben, was jedoch der Motivation der Marktteilnehmer und damit der wirtschaftlichen Daynamik abträglich sein konnte. Eine andere Möglichkeit, den wachsenden Finanzbedarf zu befriedigen, bestand darin, Kredite aufzunehmen und auf diese Weise brachliegende Forderungen in Form von Guthaben wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzubringen. John Maynard Keynes (1883-1946) ist wohl der bekannteste Kopf, der diesen Weg in eine ökonomische Theorie goss.
Forderungen im Markt zu halten und damit die Nachfrage zu stabilisieren, ist nur eine Seite der Medaille. Um Wachstum zu generieren, muss neben vorteilhaften Rahmenbedingungen auch ein zeitgemäßes Angebot an Waren und Dienstleistungen verfügbar sein, dass zu Ausgaben stimuliert. Um dies zu ermöglichen, muss ein bestimmter Teil der Ausgaben in Investitionen fließen, so dass mehr und bessere Güter auf den Markt gelangen. Würde nur die Konsumtion wachsen, ohne dass sich das Angebot entsprechend entwickelte, würde dies unweigerlich zu Preissteigerungen führen. Die Praxis hatte jedoch gezeigt, dass der Staat ein eher schlechter Investor ist. Sein Hunger nach konsumtiven Ausgaben ist dagegen unersättlich. Mehr Personal, schönere Büros mit besserer Ausstattung und natürlich einer angemessenen Bezahlung der dort Tätigen einschließlich der Rücklagen für deren Alters- und Gesundheitsvorsorge füllten die Augabenseite der Bücher. Außerdem musste für die innere und äußere Sicherheit gesorgt werden. Die damit verbundene Ausstattung von Polizei und Armee ist Konsumttion, die gegenüber privater Konsumtion noch dazu den Nachteil hat, dass für die Wartung und Instandhaltung der Ausrüstungen und Waffen weitere Kosten anfallen, die vom Staatshaushalt getragen werden müssen. Den Hunger des Staates nach Konsumtion zu befriedigen, führte nicht selten zur Vernachlässigung von Investitionen in Infrastruktur oder Bildung. Eine Übergewichtung der Konsumtion kann der Wirtschaft durch gesteigerte Nachfrage zwar kurzfristige Impulse geben, die jedoch nicht nachhaltig sind. Sie sind mittel- und langfristig schädlich, da materielle und finanzielle Disproportionen entstehen beziehungsweise vertieft werden.
Als Gegenbewegung zum schier unersättlichen Staat etablierten sich Theorien, die einen schlanken Staat einforderten. Mit weniger Regeln und Schranken sollte das Angebot gestärkt und der Wirtschaft auf diese Weise Dynamik eingehaucht werden. Dies würde auch zur Begrenzung des Preisauftriebs führen.Gleichzeitig sollten die investiven Aufgaben vom Staat zurück an die Wirtschaft gegeben werden, da diese effizienter mit den Mitteln umgehen würde. Auch diese Theorie konnte nicht alle Versprechen halten. Investitionen, die erst mittel- oder gar langfristig ihre Wirkung entfalten, wie Infrastruktur- und Wissenschaftsprojekte, gehören nicht zur Kernkompetenz privatwirtschaftlicher Unternehmen. Das gilt in besonderem Maße für große Gesellschaften, deren Führungspersonal am kurzfristigen Erfolg gemessen wird. Hinzu kommt, dass die sich beschleunigende wissenschaftlich-technische Entwicklung Strategien erforderte, die die Möglichkeiten eines einzelnen Unternehmens überfordern, die eine staatliche Koordinierung erforderlich machen.
Einige Länder gingen dazu über, die gesamte Wirtschaft zentral zu führen. Diese Versuche waren wenig erfolgreich. Sie machten allerdings deutlich, dass eine wie auch immer gestaltete staatliche Rahmensetzung erfoderlich ist, um gravierende wirtschaftliche Disproportionen zu vermeiden und langfristige Aufgabenstellungen zu realisieren. Wie weit darf die Regulierung gehen, ohne die wirtschaftliche Dynamik zu beeinträchtigen? Offensichtlich handelt es sich auch hier um einen Gegensatz, dem Gegensatz von „freier“ Marktwirtschaft und staatlicher Lenkung. Wie bei jedem Gegensatz liegt das Heil nicht im entweder/ oder, sondern in der Balance der Seiten. Diese Balance darf jedoch nicht statisch aufgefasst werden, sie muss sich immer wieder aufs Neue herstellen, wobei ein zeitweises Übergewicht der einen oder anderen Seite Teil des Ausbalancierens ist. Die Dynamik resultiert aus dem ständigen Austarieren der Erfordernisse.
Zurück zu unserem Ausgangspunkt, dem Verhältnis von brachliegenden Forderungen, vorwiegend in Form von Bankguthaben, und dem Kreditvolumen in einer Volkswirtschaft. Wir hatten konstatiert, dass der Staat als solventer Schuldner auftritt und dadurch hilft, die Balance von Forderungen und Verbindlichkeiten im gesamtgesellschaftlichen Rahmen zu verbessern. Die Frage, die sich aufdrängt, ist, ob der Staat tatsächlich als unbegrenzt solvent gelten kann. Wie jeder andere potenzielle Schuldner muss auch der Staat jemanden finden, der ihm Geld leiht. Das können Privatpersonen sein oder Unternehmen, Banken und Versicherungen zum Beispiel, die ihrerseits Vermögen ihrer Kunden verwalten. Für die Bereitstellung der Mittel verlangt der Kreditgeber Zinsen, zumindest ist das die Regel. Die Zinsen muss der Staat über seinen Haushalt finanzieren. Sie schränken damit seinen finanziellen Spielraum ein. Solange das volkswirtschaftliche Wachstum, unter anderem durch die Investitionen des Staates selbst, groß genug ist, können die vermehrten Ausgaben durch höhere Einnahmen, die aus dem Wachstum resultieren, kompensiert werden. Wir hatten konstatiert, dass der Staat ein eher schlechter Investor ist, dafür jedoch ein unersättlicher Konsument. Als Resultat dessen geraten die erforderlichen Proportionen in seinen Ausgaben häufig in Schieflage.
Kann kein genügendes Wirtschaftswachstum erreicht werden, müsste der Staat seine Ausgaben reduzieren, was mit Blick auf die Interessenlage seiner Diener schwierig ist. Als Alternative könnte er seine Bürger vermehrt zu Kasse bitten, was bei den potenziellen Wählern allerdings nicht gut ankäme. Übergewichtete Ausgaben können jedoch die Inflation befeuern. Sie kann zeitweise etwas Luft verschaffen, denn auf der einen Seite werden vorhandene Guthaben tendenziell entwertet und auf der anderen erhöhen sich mit den Preisen auch die Einnahmen aus der Umsatzsteuer, ohne dass Steuersätze erhöht werden müssten. Die Inflation ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, denn sie ist auch Zeichen für Instabilität und damit Ursache für steigende Zinsen und wachsende Kreditkosten. Als weitere Möglichkeit bieten sich zusätzliche Schulden an, wie bei einem Zocker, der Verluste mit weiteren Schulden finanziert, in der Hoffnung, es würde schon alles gut werden. Wohl dem Staat, der von klugen und weitblickenden Politikern gelenkt wird.
zuletzt geändert: 09.12.2025
